Normen und Vorschriften für Lebensmittel und Lebensmittelproduktion sollen zur Lebensmittelsicherheit, Gesundheit und sozialen Gerechtigkeit beitragen. Derzeit existieren bereits verschiedene Zertifikate, die die Produktionsbedingungen für Kunden transparent machen. So gibt es Zertifizierungen für Fisch- und Fleischprodukte, Obst und Gemüse sowie für soziale Aspekte wie den fairen Handel. Der wachsende Markt der vertikalen Landwirtschaft wurde bisher noch nicht einbezogen, weil neue Aspekte dieser Form der Landwirtschaft - zum Beispiel Substrate oder Anbau ohne Erde - bei der Zertifizierung noch nicht berücksichtigt werden.
Die Association of Vertical Farming wird in Zusammenarbeit mit Control Union UK noch in diesem Jahr ein Zertifikat für Vertical Farming Produkte einführen. Organifarms sprach mit Henry Ernst, der bei Control Union arbeitet, und Thomas Heller-Regenbogen, der mit Minga Greens sogenannte Micro Greens, Jungpflanzen mit vielen Nährstoffen, vertikal anbaut.
Henry, du hast bei der Entwicklung des Vertical Farming Labels mit vielen vertikalen Landwirten gesprochen. Wie waren deren Reaktionen auf Deine Initiative?
Henry: Sie waren sehr positiv! Fast alle waren sich einig, dass wir bestimmte Standards für das Thema brauchen, die es bisher noch nicht gibt. Sowohl die Landwirte als auch die Forschenden haben hier großen Bedarf gesehen.
War es Dein Ansatz, den Aspekt der vertikalen Landwirtschaft in bestehende Labels zu integrieren?
Henry: Nein, wir wollten von Anbeginn ein neues Label schaffen. Aspekte, die so neu sind, in ein bestehendes Label zu integrieren, hätte mehr Verwirrung als Nutzen gebracht. Mit diesem neuen Zertifikat können wir sicher sein, dass wir nur die Faktoren berücksichtigen, die für die vertikale Landwirtschaft relevant sind und den Besonderheiten der Branche entsprechen.
Thomas, Eure Produkte aus vertikalen Farmen sind mit dem EU-Bio-Siegel zertifiziert. Warum wolltet ihr dieses zusätzliche Label für eure Produkte haben?
Thomas: Für uns war es immer ein Qualitätsaspekt. Wir als Gründer konzentrieren uns darauf, gute und hochwertige Lebensmittel mit vielen Nährstoffen und so wenig Pestiziden wie möglich zu kaufen. Also dachten wir uns, wenn wir unsere eigenen Produkte anbauen, müssen sie auch diese Kriterien erfüllen.
Was fehlt eurer Meinung nach bei den derzeitigen Labels?
Thomas: Wir sehen bei der vertikalen Landwirtschaft oft das Problem der Nachhaltigkeit. Natürlich wollen wir etwas produzieren, das gut für die Gesundheit ist, aber auch der Umwelt dient. Das wird von den Labels, die es im Moment gibt, nicht gut abgedeckt. Gerade Aspekte wie Energie und nachhaltige Ressourcen sind aber ein wichtiger Bestandteil, um Vertical Farming zukunftsfähig zu machen.
Wird das neue Zertifikat diese Aspekte einbeziehen?
Henry: In der Tat, ja! Wir konzentrieren uns mit dem neuen Zertifikat sehr stark auf den Aspekt der Nachhaltigkeit in der vertikalen Landwirtschaft. Es wird Aspekte wie Energie-, Wasser-, Nährstoff- und Raumverbrauch abdecken.
Wird das Label deiner Meinung nach das Vertrauen in die vertikale Landwirtschaft stärken?
Henry: Natürlich hoffen wir, dass das ein Nebeneffekt ist. Durch unser Label machen wir die Bedingungen der Landwirtschaft transparenter, was zu mehr Vertrauen in die Produktion und die Branche führen wird. Es ist immer schwer, etwas zu verstehen, was man nicht nachvollziehen kann – da bringen wir mit unserem Zertifikat mehr Licht in einen aktuell noch nicht sonderlich ausgeleuchteten Bereich der Landwirtschaft. Mit unserem gut begründeten Label geben wir Kunden ein Werkzeug an die Hand, das Vertrauen schafft. Und je besser sie ausgestattet sind, desto fundierter sind ihre Entscheidungen.
Thomas: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass fehlendes Vertrauen in die vertikale Landwirtschaft oder in innovative landwirtschaftliche Methoden aus mangelndem Wissen resultiert. Wenn wir Kunden in unsere Produktion mitnehmen und ihnen erklären, wie wir arbeiten und wie unsere Produkte entstehen, sind die meisten sehr aufgeschlossen. Ich denke, dass ein Zertifikat, wenn es gut erklärt und durchgeführt wird, seinen Teil zu dieser Aufklärung über Produkte der vertikalen Landwirtschaft beiträgt.
Henry, wie wird sich das neue Zertifikat in den kommenden Jahren entwickeln?
Henry: Wir gehen davon aus, dass sich auch unser Zertifikat in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sehr stark weiterentwickelt wird. Das System, mit dem wir uns befassen, ist so neu und im Wandel begriffen, dass dies nur normal scheint. Es wird Aspekte wie Material- und Substratverbesserungen geben, die das Zertifikat natürlich auch berücksichtigen muss.
Thomas: Das sind Aspekte, die eine hohe Zuverlässigkeit gewährleisten – und nur so bauen Verbraucherinnen und Verbraucher Vertrauen in das Zertifikat auf, und nur so können auch wir uns sicher sein, dass es selbst in einem dynamischen Umfeld genauso zuverlässig ist, wie andere Zertifikate, denen die Verbraucher vertrauen.
Wann werden wir alles über das neue Label erfahren?
Henry: Auf der VertiFarm-Messe in Dortmund September werden wir über alle Details sprechen und auch mehr Informationen über den Prozess preisgeben. Wir freuen uns schon sehr darauf!
Danke für das Gespräch, Henry und Thomas!
Mehr Informationen über MingaGreens gibt es auf der Webseite: https://minga-greens.de
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