Evgeny Gubin ist Horticulture Engineer bei Crocus Labs. Das Berliner Startup wurde 2020 gegründet und entwickelt Beleuchtungstechnologie fürs Indoor- und Vertical Farming. Hiermit wollen sie nicht nur zu einer effizienteren und kostengünstigeren Kultivierung beitragen, sondern auch zu höheren Erträgen und optimierter Ernte.
Evgeny, was ist eure Technologie und warum ist sie besser als das, was wir bisher am Markt haben?
Wir entwickeln Beleuchtungslösungen für Gewächshäuser und Vertical Farms. Durch die Entwicklung unserer Technologien schaffen wir eine signifikante Reduktion der Energiekosten in der Landwirtschaft. An sich hat die Beleuchtung von Pflanzen eine Tradition seit den 1960er / 70er Jahren. Hier wurden Natriumdampflampen eingesetzt, die auch heute noch in einigen Gewächshäusern zu finden sind – und die funktionieren! Folgend kam die Kombination aus roten und blauen Dioden (LEDs) die zu dem bekannten pinken Licht geführt haben. Aktuell gibt es auch Beleuchtungssysteme mit einem sogenannten „vollen Spektrum“ – einem für uns Menschen weiß aussehenden Licht, das jedoch ein großes Spektrum beinhaltet. Pflanzen sind jedoch komplex und das sowohl arten- als auch sortenspezifisch. Jede hat einen etwas anderen Anspruch – zum Beispiel in den verschiedenen Entwicklungsstadien. Dazu kommen noch die Ziele des Kultivators. Zwar möchte man eine reiche Ernte, doch kann es auch um die Morphologie oder deren Inhaltsstoffkonzentrationen bzw. -kompositionen gehen. Unsere Belichtungslösungen bringen hohe Effizienz und ein steuerbares Spektrum, welches in Zukunft ähnlich wie bei der dynamischen Belichtung smart gesteuert werden soll. In der Form gibt es das bisher noch nicht im kommerziellen Gartenbau.
…weshalb braucht es eine solche, neue Lösung?
Probleme, die wir aktuell in der Landwirtschaft sehen sind extremeres Klima – zum Beispiel Trockenheit, Hitze, aber auch Starkregen und Co. Deshalb sind kontrollierte Bedingungen immer häufiger die sicherere Wahl für Landwirte. Damit diese Möglichkeiten allerdings attraktiv und nachhaltig werden – wirtschaftlich und ökologisch – braucht es neue Lösungen. Der Gartenbau 4.0, wie wir ihn nennen.
Weshalb machen eure LEDs diese Möglichkeiten nachhaltiger?
Einerseits sind sie kostengünstiger, sie brauchen weniger Energie, um die Pflanzen zu beleuchten. Vertikale Farmen, sogenannte „Plant Factories with Artificial Light“ (PFAL), verbrauchen aktuell von ihrer gesamten Energienutzung 50-70% der Energie nur für die Beleuchtung. Mit unseren Produkten würde das bedeuten: Gleiche Anzahl an Photonen für deutlich weniger Geld. Und: weniger verbrauchte Watt schonen die Umwelt. Unsere Technologie kann außerdem die Kultivationsperiode verkürzen, den Ertrag und die Qualität erhöhen und vitalere Pflanzen fördern. Man benötigt außerdem weniger Ressourcen, zum Beispiel beim Pflanzenschutz.
Wie erkennt ihr, welches Licht die Pflanze aktuell benötigt?
Es gibt schon einige Forschung dazu, welches Lichtspektrum in welcher Wachstumsphase bei welcher Kultur am wichtigsten ist – beispielsweise zum Keimen, Wachsen oder Reifen. Und das faszinierende ist, dass man die Pflanze durch Lichtrezepte und Anwendung anderer Kultivationsmethoden in ihrer Beschaffenheit modellieren kann. Das führt zu völlig neuen Möglichkeiten in der Pflanzenproduktion.
Also optimiert ihr durch diese Anpassung des Spektrums auch das Wachstum?
Genau, das ist einer der Vorteile. Wir können das Ernteergebnis verbessern und die Kosten dabei senken, denn durch die Optimierung des Spektrums wird auch weniger elektrischer Energie benötigt.
…ein Vorteil gegenüber der Sonne beziehungsweise dem Wetter auf dem Feld, richtig?
Genau. In solchen Bereichen sehen wir den Vorteil des Indoor-Farmings und künstlichen Lichts gegenüber dem Freiland, wo beispielsweise die Menge an UV-Licht nicht oder kaum kontrolliert werden kann. Das kann dazu führen, dass die Pflanzen beispielsweise zu kompakt wachsen und weniger Ertrag erzielen. Das ist zum Beispiel ein Problem, wenn man auf Arzneipflanzen blickt. Hier wird gleichbleibend hohe Qualität mit den gleichen Inhaltsstoffen benötigt. Da ist es wesentlich einfacher, unter kontrollierten Bedingungen zu züchten. Ein weiterer Vorteil gegenüber dem Freilandanbau ist die Schonung der Ressource Wasser. In geschlossenen Systemen wird das Pflanzenwachstum mittels Sensorik kontrolliert und damit auch die Wassergaben so weit optimiert, dass nur so viel Wasser verbraucht wird, wie tatsächlich nötig ist. Wasseraufnahme und -abgabe durch die Pflanzen kann auch mittels bestimmter Wellenlängen gesteuert werden. Die richtige Lichtrezeptur führt zu nahezu keinen Verlusten.
Gibt es auch Vorteile der alten Technologien, oder haben die LEDs überall die Nase vorn?
Vorteile ist vielleicht das falsche Wort, es gibt jedoch auch andere Variablen, die durch die neuen Technologien verändert werden – zum Beispiel waren die früher eingesetzten Natriumdampflampen wesentlich wärmer als LEDs. Das verändert auch das Klima im Gewächshaus. Nach dem Umrüsten muss eventuell die Klimasteuerung angepasst werden – diese Chance kann jedoch ebenfalls genutzt werden, um neue Energien und Technologien zu implementieren und den Betrieb ganzheitlich zukunftsfähig zu machen.
Wie groß ist der Markt und die Bereitschaft in der Industrie, auf neue Lösungen wie eure umzustellen?
Der Markt ist groß, denn viele Landwirt:innen wollen nachhaltiger und energieschonender wirtschaften – gerade in Zeiten, in denen Nebenkosten wie Strom und Gas teurer werden, ist das natürlich brandaktuell. Allerdings ist es natürlich eine Investition.
Das gute ist aber, dass nicht alles sofort passieren muss. Beispielsweise kann man die neuen Technologien anfangs nur in bestimmten Bereichen nutzen, etwa um Jungpflanzen aufzuziehen. So kann man bei guter Umsetzung mit schnellerem Wachstum und weniger Ausfällen bei den Pflanzen rechnen und kann sich gleichzeitig mit der Technologie vertraut machen, Investitionen Schritt für Schritt tätigen und ein Umstellung des Betriebs gewährleisten.
Was hält die Zukunft des künstlichen Lichts für uns bereit?
Wir haben in den vergangenen Jahren riesige Entwicklungserfolge sehen können. Bei Licht ist es so, dass es eine physikalische Grenze gibt – irgendwann kannst du nicht mehr weiter optimieren. An dem Punkt sind wir aktuell noch nicht, aber wir streben es natürlich an, dort anzukommen.
…um dann wirklich bereit zu sein, Indoor Farming effizient betreiben zu können?
Jein. Natürlich ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Aber Effizienz ist ja nur ein Aspekt des Lichts. Wir müssen – besonders bei Indoor Farming – auch darauf schauen, woher das Licht beziehungsweise der Strom dafür kommt. Denn wenn der nicht aus einer nachhaltigen Quelle bezogen wird, ist das gesamte Konzept natürlich auch wenig nachhaltig. Das Licht allein zu optimieren ist somit nicht der alleinige Schlüssel zum Erfolg.
Danke, Evgeny für das Interview! Alle Informationen über Crocus Labs sind hier zu finden: https://crocuslabs.com